Dieser Text existiert nur, weil ich aufklären will. Dieser Text ist explizit, weil wir Offenheit brauchen bei diesem Thema. Weil ich auch in meinen Happy Hooker Stories explizit bin, die mein Berufsleben ausmachen. Diesmal geht es um eine negative Erfahrung. Denn leider habe nun auch ich eine versuchte* Vergewaltigung erlebt. 

Dieser Text kommt somit mit einer Triggerwarnung für sexuelle Gewalt. Es ist nicht “schlimm”. Es ist nicht offensichtlich gewaltsam. Und dennoch ein Tatbestand. 

Aber zurück zum Anfang. 

Zweites Treffen mit P

P heißt nicht P. Sein Vornamen beginnt mit einem anderen Buchstaben. Ich möchte ihn nicht bloßstellen, aber brauche dennoch einen Namen für den Herrn, den ich bereits einmal getroffen habe. 

Hausbesuch in Regensburg. Ich sollte Minirock und enges Top anziehen. Beim ersten Treffen bestand ich darauf, mich bei ihm umzuziehen, da ich “so indiskret” nicht zu einem Hausbesuch erscheine, ohne zu wissen, wie die Location ist. 

Schlussendlich küssten wir uns kurz nachdem er die Tür aufmachte und der Minirock war vergessen bis zum Ende des Dates. 

Bei der zweiten Anfrage wünschte er sich Sport-BH und Tanga. Und auch einen Rock. Diesmal wollte ich damit in der Tür stehen, nicht erst mich umziehen müssen. 

Denn ja, ich freute mich. Bis auf ein paar Momente, in denen ich ihn ans Kondom erinnern musste, war das erste Treffen wirklich schön. Im Eifer des Gefechts kann man(n) sowas schon mal vergessen. 

Dachte ich. 

Spoiler: Ich lag falsch. 

Gleich und doch anders

Auch diesmal warf er einen Blick auf mich und küsste mich leidenschaftlich, ehe die Haustür zu war. Auch einer seiner Wünsche – so richtig Girlfriend Experience. Nach dem Willkommens-Knutschen ging ich ins Wohnzimmer und legte meine Tasche auf den Couchtisch. 

Da sah ich den Umschlag mit meinem Namen – mein Honorar lag bereit. Sehr löblich. Da er auch problemlos zweimal angezahlt hatte, vertraute ich ihm, dass die Summe im Umschlag stimmte und drehte mich um, um ihn wieder zu küssen.

Der Minirock hat den Vorteil, dass er ihn hoch schieben und gleich den Tanga spüren konnte, den ich für ihn angezogen hatte.

Beim letzten Mal habe ich gelernt, dass er mich gerne härter anfasst, aber erst, nachdem wir uns vertrauter waren. Jetzt bin ich gleich sein “Liebes”, sein “Fickstück”, das er “benutzen” kann. Heute beugte er mich gleich über den Tisch und drückte mich auf das Holz. 

An sich eine Position, die ich sehr gerne mag und auch eine Dynamik, die mich in der richtigen Situation absolut anspricht. Der Tisch hatte die perfekte Höhe für mich und ich stellte mir schon vor, wie er dann in mich eindringt.

“Was weißt du noch von unserem letzten Mal?” fragte er und sprach gleich weiter. “Ich weiß noch, wie schön kleine Handgelenke du hast.”

Ich hatte sie schon auf dem Rücken verschränkt und er hielt sie mit einer Hand fest, als er mit der anderen den Tanga beiseite schob. 

Grenzüberschreitung

Zuerst dachte ich, dass es seine Finger sind, die mit mir spielen – aber nein, Finger fühlen sich anders an. Es war sein steifer Penis, der sich an mir rieb und definitiv auch drauf und dran war, in mich einzudringen. 

“Ich will dich so gern ficken…” So was in der Art flüsterte er. 

Prompt drehte ich mich um, packte ihn am erigierten Glied, drückte fest zu und sagte streng-spielerisch, “Ja, aber nur mit Gummi!“

Er kommentierte das nicht, sondern küsste mich einfach nur und führte mich dann zur Couch, wo er mir das Oberteil auszog. Ich setzte mich auf ihn, spürte seine Erektion gegen meinen Tanga. 

Ich dachte, ‘Okay, das war’s, er hat’s kapiert.’ 

Er spielte mit der Hand noch ein bisschen an meinem Tanga und schob ihn zur Seite. 

Ich beugte mich über ihn, damit er besser mit dem Finger in mich eindringen konnte, denn das genieße ich durchaus. 

Doch einen Moment später merkte ich, dass es keine Finger waren. Stattdessen presste er schon wieder seine Eichel an meine Vulva und versuchte mit Druck, in mich einzudringen. 

Und ein Stück weit… schaffte er es.

Meine Reaktion war blitzschnell. Ich schubste ihn weg, bewegte meine Hüfte außer Reichweite, und zögerte nicht, ihm eine saftige Ohrfeige zu verpassen.  

Ich weiß nicht mehr genau, was ich gesagt habe. Etwas in der Art von, “Nein, jetzt ist Schluss! Das ist ne versuchte Vergewaltigung, weißt du das?”

Das sei der Punkt, an dem ich gehe, sagte ich. Er könne froh sein, dass ich ihn nicht anzeige. 

Er war sichtlich überrascht und etwas überwältigt und sagte so etwas wie “Das wollte ich nicht. Ich wollte dich zu nichts bringen, was du nicht willst.”

“Doch, genau das hast du versucht! Nachdem ich dir schon gesagt habe, dass es nur mit Gummi geht und du hast es dann gleich noch mal versucht.”

Währenddessen versuchte ich, meine Sachen zu packen und mein Kleid anzuziehen. Denn eins war mir klar: Ich würde NICHT mit dem Minirock rausgehen. Absolutely not. 

“Beim letzten Mal hast du es auch versucht und ich dachte, ich gebe dir noch eine Chance. Vielleicht war es ja wirklich nur ein Versehen. Aber dieses Mal wieder!”

Er war sprachlos. Das gibt mir ehrlich gesagt ein bisschen Hoffnung, dass er daraus lernt. Ich sagte ihm dann noch einmal, dass es eine versuchte* Vergewaltigung darstellt und dass er froh sein kann, dass ich ihn nicht anzeigen werde.

Er setzte noch mal an, mich zum Bleiben zu bewegen, aber ich war schon dabei, mich anzuziehen. Mit meinen zittrigen Händen habe ich es nicht auf Anhieb geschafft, mein Kleid aufzumachen und es hat ein bisschen gedauert, wodurch die Unterhaltung möglich war.

Ich hoffte inständig, dass ich den Umschlag mit dem Geld tatsächlich in meine Tasche getan hatte und mein Handy auch tatsächlich in der Handtasche war, und verließ das Gebäude.

Der kurze Weg vom Auto war genug, um mich vom Schock zur Wut übergehen zu lassen. Was für ein… argh! 

Wieso bringen wir den Menschen in unserer Gesellschaft nicht bei, wie wichtig Safer Sex ist? Wieso denken Menschen, es sei okay, dann nochmal zu versuchen und nochmal, obwohl die andere Person bereits klar “Nicht so!” gesagt hat? 

Zugleich hatte ich all die wunderbar respektvollen Kunden im Kopf, die mir begegnen. Die nicht im Traum auf die Idee kämen, eine Grenze zu überschreiten und sich lieber dreimal rückversichern, dass es auch okay ist, mir nun einen leichten Klaps auf den Po zu geben. Von den wunderbar devoten Herren, Damen und Personen dazwischen und außerhalb ganz abgesehen. 

Nun eben auch ich

Bisher konnte ich auf die Frage, ob ich denn schon negative Erfahrungen in der Sexarbeit hatte, nicht viel antworten. Drei konkrete Fälle, die alle nicht so dramatisch waren. 

Das ist dieser Fall für mich an sich auch nicht. Ich merke mit Erleichterung, dass ich doch sehr gefestigt bin und mich die … ja, versuchte* Vergewaltigung, denn das war es… nicht zu stark mitnimmt. Zumindest am Tag selbst nicht, als ich diese Zeilen schreibe. 

Aber nach außen hin ist es meiner Ansicht nach was anderes. Ob nun jemand aufsteht, kalt wird und abzieht, weil er eben keinen Facefuck bekommt, was ich im Vorgespräch klar als Tabu betitelt hatte, oder ob ich die nackte Eichel an und in meiner Vagina spüre, ist dann doch ein Unterschied. 

Es sollte kein Unterschied sein. Eine Grenzüberschreitung ist eine Grenzüberschreitung. Konsent verletzen ist immer eine Verletzung, egal welcher Konsent verletzt wurde. 

Und das kann auch beiläufig passieren. Von Menschen, von denen wir es nicht erwarten. Von Gästen, die ganz normal kommunizieren, vorbildlich anzahlen, und das Honorar bereit legen. Von Gästen, die wirklich nichts Schlimmes wollen – aber nie gelernt haben, wo Grenzen anfangen und wie unverrückbar sie sein sollten. 

Von Männern, die sagen, “Ich wollte ja nicht”. 

Von Männern, die überrascht und überwältigt sind, wenn ihr Gegenüber für seine bzw. ihre Grenzen einsteht und nach zehn Minuten mit dem Honorar aus der Wohnung raus ist. 

Von Männern, die nicht zu wissen scheinen, dass eine Vergewaltigung auch ganz, ganz “normal” aussehen kann. Und auch sie zu Tätern werden können. 

Und nun bin eben auch ich ‘so richtig’ ein Teil von #MeToo. Die früheren Erfahrungen zählten für mich nie. Nicht so wirklich. Auch wenn sie es an sich tun. 

Aber dieses Erlebnis fühlt sich anders an. 

Extremer. Klarer. 

Und gleichzeitig weiß ich für mich, dass es mich nicht stark mitnehmen wird. Zumindest fühle ich das jetzt, am Abend des Geschehens. Ich hoffe, das bleibt so. 

 

Auch Happy Hooker haben negative Momente

Ich schreibe es auf, denn es ist wichtig. Ich bin sonst immer der “happy hooker”, aber auch privilegierte Sexarbeitende wie ich sind nicht vor sexualisierter Gewalt geschützt. Dabei ist das Problem nicht die Sexarbeit, sondern die sexualisierte Gewalt, die in allen Bereichen der Gesellschaft präsent ist. 

Es braucht auch nicht immer etwas Großes, Dramatisches. 

Es braucht keine Gang Rape sein, wie sie Roxanne Gay in “Hunger” beschreibt, das ich erst letzte Woche gelesen habe. 

Es braucht nicht mal zur vollen Penetration kommen. 

Auch kleinere Grenzüberschreitungen sind eine Grenzüberschreitung. Und wir alle in dieser Gesellschaft sollten das verdammt nochmal kapieren. 

_____

*Ich schreibe hier von “versuchter Vergewaltigung”, da es mein subjektiver Eindruck war. Eine kurze Recherche zeigt mir, dass juristisch im Strafgesetzbuch lediglich von sexuellen Handlungen gesprochen wird. Darunter fällt alles, was ohne Einvernehmlichkeit passiert. Somit ist in meinem Fall auch klar von einer Vergewaltigung zu sprechen.

4 Comments

  1. TBD 10. July 2024 at 10:52 - Reply

    First, I want to apologize for replying in English. I do read German, but writing it is another matter completely. Hope it is OK anyway.

    Thank you for sharing your harrowing experience, and for the trigger warning. It is never easy reading about rape, which this most certainly was. Your swift and clear reaction was admirable, and like you I hope this is a lesson for him. Though I have to say, acting the way he did makes me suspect that he has done this before.

    My perspective on this is as a client of sex workers and as a close friend of a sex worker. My friend has told me of several events similar to the the one you describe, and like you she loves her work but is extremely frustrated by many men’s lack of understanding of terms like boundaries and consent. So am I. But as a man, I am not shocked. I know how common lack of respect for women and sex workers (of all genders) is, and I’ve read the statistics. 🙁

    In addition to speaking up whenever possible, maybe what’s needed is a law to codify consent. That is on the agenda in my home country right now, after many cases of rapists getting away with their crime because the victim saying “no” wasn’t enough to convict. A consent law will not solve the problem, but hopefully more rapists will be put behind bars. An it will make it harder for men like P to act as if he never heard of consent.

    I see that you recently read Roxane Gay’s “Hunger”. I read it some years ago, it was an emotionally exhausting read but so worth it. To me, her perspectives on eating disorders and emotional trauma were especially helpful. One my great regrets is missing out on seeing her live when she visited my home town a few years ago.

    I wish you the best in your career going on from here, you are doing important work and your posts in social media are always interesting and inspiring.

    Regards from Scandinavia

    P.S. Normally I do not post anonymously. But as I live in a country where the Nordic Model (fear it!) is law, I obviously can’t speak openly about my point of view.

    • jay 14. July 2024 at 10:41 - Reply

      Thank you so much for your thoughts and perspective! I fully understand why you’d post anonymously – I wouldn’t want the authorities to catch on to you. Fear the Nordic Model, indeed…

      A fascinating idea re: consent law. I’m not familiar with the debate, but a cursory google has yielded thoughts from Amnesty International (Norway, but still): https://amnesty.no/action-circular-march-8th-2024

      I’d love for this to be the norm, that people need to really express their YES! before anything is (legally) allowed to happen. That would make the lives of so many easier. And it would hopefully also change something in the minds of potential perpetrators.

      Fingers crossed for Scandinavia!

  2. TBD 16. July 2024 at 9:03 - Reply

    Thanks for your kind response! You guessed correctly, Norway it is. 😅 I’m keeping my fingers crossed for Scandinavia, Germany and everywhere else. These are strange, turbulent times we live in, and we need all the positivity we can get.

    • jay 16. July 2024 at 13:38 - Reply

      Indeed! I hope to be able to spread some positive vibes and joy… We all need it!

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