Mit alternativer Pornografie für eine sexuelle Utopie kämpfen? Porno als Aktivismus? Falls Dich das stutzig macht, bist Du hier richtig. 

Auch ich kannte lange nur eine Art von Porno: “Warum liegt hier Stroh?” fragt einer. Die Antwort ist uninteressant. Dafür gibt’s gleich nen Blowjob. 

Dass es auch anders geht, erfuhr ich während meines Studiums. Ethische Drehbedingungen und wirkliche Handlungen – das schrieb sich feministische Pornografie auf die Fahnen. 

Pornos drehen für mehr Selbstbewusstsein

Ein paar Jahre später wagte ich erste Schritte in der Online-Sexarbeit. Teil davon: Wunschvideos für Menschen, die mich nackt sehen wollen. 

Der Gedanke faszinierte mich. Ich in meinem eigenen Amateur-Porno? Ich bin doch ganz weit weg von den Schönheiten, die ich aus kurzen Recherche-Besuchen auf YouPorn kenne. Würde wirklich jemand dafür bezahlen, mir zuzusehen, wie ich’s mir selbst mache?

Die positive Resonanz auf meine Filme, gedreht mit Handy ohne Stativ, verblüffte mich. 

Dazu musst Du wissen, dass ich bis vor einiger Zeit weit entfernt war von der selbstbewussten Person, die Du von dieser Webseite oder aus ihren YouTube-Videos kennst. 

Mein Selbstwert war schon immer im Keller. Dazu noch eine Körperbildstörung, chronifizierte Depressionen sowie eine Essstörung – kein Wunder, dass ich nicht glauben wollte, dass Menschen Geld dafür zahlen wollten, mich nackt zu sehen. 

Ende 20 war ich aber durch Therapie soweit, den Gedanken wenigstens zuzulassen. 

Von Pornos zu Sexarbeit

Filme für 20€ waren eine Sache. Doch was, wenn mich Menschen tatsächlich real treffen möchten? 

Bestärkt von der Resonanz auf meine Amateur-Videos wagte ich den Schritt. 

Wenn Du mich heute siehst oder hörst, erlebst Du eine Jay, die über Jahre an sich gearbeitet hat. Die lernen durfte, dass ihr Körper Lust und Begehren auslösen kann. Die erfahren durfte, was es bedeutet, Menschen zu berühren – physisch und in ihrer Seele. 

Eine Jay, die mehr zu sich gefunden hat, als jemals zuvor. 

Ganz “fertig” werde ich wohl nie sein. Und es gibt immer noch Tage, wo ich mich auf der Handykamera sehe und skeptisch bin, dass mein “Erfolg” als Escort anhält. 

Besonders, wenn ich nackt bin, für ein Wunschvideo. 

Doch dann schlucke ich die Zweifel runter und versende das Video. 

Die positiven Rückmeldungen treffen mich immer noch. Inzwischen überraschen sie mich nicht mehr, glücklicherweise. Sie geben mir Kraft. 

Auch, wenn ich keine Pornos schaue – sie zu drehen hilft mir, mich und meinen Körper zu schätzen. 

Fade out…. 

Moment! So schnell kann ich das Thema Porno nicht abhandeln (auch wenn diese “Einleitung” ein eigener Blog sein könnte). Es braucht diesen Rahmen, um meine Sicht auf die Pornoindustrie zu kontextualisieren. 

Lass uns also tiefer gehen.

Problematische Pornos

Wenn Pornografie als Problem dargestellt wird, geht es fast ausschließlich um Mainstream-Pornografie. 

Mainstream Pornos sind von großen Firmen für einen Massenmarkt produziert. Die Drehbedingungen sind dadurch selten fair, die Rollenbilder stereotyp, die Stories kaum existent und wenn dann klischeebehaftet. 

Heißt: Normschöner Mann und Model-Maße-Frau begegnen sich und haben ästhetisch ansprechenden und ungehemmten Sex. 

Da ist kein Platz für Erektionsprobleme, größere Rundungen, geschweige denn körperliche Einschränkungen.

Wenn queere Identitäten vorkommen, dann fetischisiert: “Lesben Pornos” sind gemacht für ein heterosexuelles, männliches Publikum, das gerne Frauen zusammen beobachtet. 

Es geht um Penetration, um Standhaftigkeit, um Ausdauer. 

Pornos verkaufen eben auch Fantasie.

Diese Fantasie kann allerdings unrealistische Erwartungen wecken. Einige meiner Gäste vergleichen sich mit den Darstellern – vor allem im Hinblick auf die sexuelle Energie und Leistungsfähigkeit – und fühlen sich dadurch “nicht gut genug”. 

Dass trotzdem Platz sein muss für diese Mainstream-Erzählungen und auch sie Menschen bereichern können, zeigt Madita Oeming anschaulich in ihrem Buch “Porno – eine unverschämte Analyse”. 

Für mich interessanter ist aber die Reaktion von queerfeministischen Filmschaffenden auf diese Industriestandards.

Strömungen alternativer Pornografie

Neben Amateur-Pornos wie solchen, die ich mit meinem Handy drehe, gibt es noch weitere Alternativen zu den klassischen Produktionen: 

  • Post-Pornografie – Experimentelle, oft künstlerische Formen, die mit Sehgewohnheiten spielen (z. B. Annie Sprinkle, Emilie Jouvet).
  • Queere Pornografie – Jenseits der heteronormativen Standards, mit Fokus auf diverse Körper und Identitäten 
  • Ethical Porn – Faire Produktionsbedingungen zeigen echte Lust in respektvollen Darstellungen.

Und was ist mit feministischer Pornografie?

Meiner Einschätzung nach ist feministischer Porno immer alternativ, aber nicht jeder alternative Porno ist gleich feministisch. 

Produktionsfirmen wie FeuerzeugFilms bezeichnet sich aktiv als feministisch, u.a. da sie Frauen hinter der Kamera und im Team beteiligen. Zudem zeigen sie keine herabwürdigenden Darstellungen (was mich fragen lässt: Wann wird Fantasie politisch?) und haben immer eine*n Sorgenbeauftragte*n am Set. Also Intimacy Coordinator oder Awareness Verantwortliche, die darauf achten, dass es den Darstellenden mit den Drehbedingungen und Handlungen gut geht. 

So habe ich das auch erlebt, als ich – als Assistant Director – bei “Auf Distanz” am Set war. 

Wo genau nun aber die Grenze liegt und feministische Pornografie anfängt, wage ich nicht zu sagen. Vielleicht hast Du da auch eine Antwort – verrate sie gerne in die Kommentaren!

Schaue ich alternative Pornos?

Erste alternative Pornos sah ich beim PornFilmFestival in Berlin 2022, wo auch “Auf Distanz” lief. Dort durfte ich im Gespräch nach den Screenings Fragen aus dem Publikum beantworten und u.a. Paulita Pappel treffen. 

Hoch motiviert wollte ich dann wieder Drehbücher schreiben – für Pornos. 

Auch wenn ich keine schaue. 

Ob das gut gehen kann, würde ich gerne herausfinden. Doch das Leben lenkte mich ab, somit blieb es bisher bei Ideen. 

Nun war ich aber gerade in Hamburg. Am 8. März lud das Festival “Superzart” gemeinsam mit FeuerzeugFilms nach Hamburg ins Centralkomitee. Passend zum feministischen Kampftag ging es darum, über sexuelle Utopie zu sprechen. 

Banner mit zwei Fotos: das Plakat des Superzart* Festivals und einem Selfie von Jay mit Paul und Eva von FeuerzeugFilms.

Warum ich in Zukunft Pornos drehe

Neben “Auf Distanz” zeigte FeuerzeugFilms auch “2 or 3 things (I like about him)”, in dem die Darstellenden selbst die Kamera halten. Das Spiel zwischen Cinematography Porn (also geilen Kameraeinstellungen) und DIY-Porn aus der gehaltenen Kamera fasziniert mich bis heute. 

Wieder bin ich motiviert. Doch aktuell stecke ich noch in Überlegungen. 

Was möchte ich mit “meiner Pornografie” erreichen?

Klar könnte ich Drehbuch-Ideen entwickeln, doch zu welchem Zweck?

Pornos zu drehen, um Geld zu verdienen, erscheint mir wenig sinnvoll. Vereinzelte Wunschvideos zu erstellen ist eine schöne Abwechslung, aber mir zu oberflächlich, um es auszuweiten. Da begleite ich lieber Menschen auf ihrer sinnlichen Reise.

Vermag ich es vielleicht, diesen Aspekt filmisch darzustellen? Sexarbeit als Carearbeit zu inszenieren? Zu zeigen, was “supportive sexwork” Positives bewirken kann? 

Ist das dann noch Pornografie, oder schon Kunst?

Kann Porno auch Kunst sein und gleichzeitig erregen? 

Fragen über Fragen… 

Hast Du eine Antwort? Oder Gedanken, die Du teilen möchtest? Dann teile sie gerne. 

PS: Wenn Du den Film sehen möchtest, kannst Du das auf Pink Label TV tun. Da findest Du auch “Auf Distanz”.

6 Comments

  1. Hans Strauch 13. April 2025 at 09:48 - Reply

    Erst einmal vielen lieben Dank für diesen Blogbeitrag und für all die persönlichen Gedanken und Gefühle, die Du darin offenlegst! Eine sehr anregende Lektüre und daher hier auch ein paar kritische Gedanken dazu:

    Noelle Perdue, kanadische Feministin, Aktivistin, Journalistin, Pornohistorikerin und -drehbuchautorin hält den Begriff „ethische Pornographie“ für höchst problematisch (noelleperdue.com). Denn diese Bezeichnung unterstellt, daß nur die eigenen Pornos ethisch sind, alle anderen aber unethisch. Und das verstärkt die Stigmatisierung von Pornographie und Pornodarstellenden in der Gesellschaft, ein Bärendienst an der gesamten Branche! (Sehr interessant das Interview mit Ms. Perdue auf dem YouTube Kanal von Lucy Huxley, Berliner High End Escort.)

    „Produktionsfirmen wie FeuerzeugFilms bezeichnet [sic] sich aktiv als feministisch, u.a. da sie Frauen hinter der Kamera und im Team beteiligen.“ – Das ist auch in der sogenannten „Mainstream Pornographie“ schon längst und lange der Fall. Da gibt es seit vielen Jahren Regisseurinnen, Produzentinnen, Drehbuchautorinnen usw usw. Faszinierend finde ich zum Beispiel Holly Randall (toller YouTube-Kanal!), die Tochter von Suze Randall, die in den 1970er Jahren die erste Photographin war, die für den Playboy gearbeitet hat. (Beim Playboy sind es übrigens seit vielen, vielen Jahren Frauen, die die Photos zur Veröffentlichung auswählen.)

    „Mainstream Pornos sind von großen Firmen für einen Massenmarkt produziert. Die Drehbedingungen sind dadurch selten fair“. Die fairsten Drehbedingungen finden sich bei den großen Studios im San Fernando Valley bei Hollywood, wo hinter jeder Kamera drei Rechtsanwälte stehen, weil sich diese Firmen keinerlei Imageschaden in der Branche erlauben können. Es gibt ausführliche schriftliche Vereinbarungen über die Grenzen und Tabus der Darstellenden. Hinzu kommt ein ausführliches Vorgespräch über diese Themen, das auch per Video festgehalten wird. Und nach dem Dreh wird ein ebenfalls mitgefilmtes Nachgespräch geführt. Bei dem großen und sehr erfolgreichen BDSM-Studio Kink.com sind diese Vor- und Nachgespräche zum Beispiel inzwischen Teil der Videos und werden nicht nur als Bonusmaterial separat veröffentlicht.

    „Ich bin doch ganz weit weg von den Schönheiten, die ich aus kurzen Recherche-Besuchen auf YouPorn kenne.“ – Auf den Internetportalen wie Pornhub usw. gibt es formal und statistisch gesehen gar keine Mainstream Pornographie. Da finden sich Körperformen für jeden Geschmack, von adipös bis extrem abgemagert, von scheinbar noch minderjährig bis hin zu über 80jährigen Darstellerinnen (Männer in dieser Altersklasse dagegen praktisch nicht). Sorry, mit Deinem Alter und Deinen Formen liegst Du da einfach im Mittelfeld – aber natürlich nicht mit Deiner Schönheit!

  2. Jens Eckhardt 13. April 2025 at 09:51 - Reply

    Hey Jay ja die Sache mit den Fragen über Fragen und den Mangelnden Antworten ist schon so eine Sache für sich. Zum eine wie du weist bin ich schon was älter und Mainstream-Pornografie auch wenn die Bedingungen am Set schlecht sind haben was für sich und ich sehe sie recht gerne mit
    Post-Pornografie, Ethical Porn sollten zum Standard werden und mit Queere Pornografie kann ich in meinem Alter nichts mehr anfangen .
    Feministischer Pornografie sollte genau so Ihren Platz haben und selbstverständlich sein .
    Pornografie darf unterkeinen Umständen Politisch sein ( leider ein Utopischer Gedanke). Alte weiße Männer mit gebrechen und Bauch bedingt durch lange und Harte Arbeit über Jahrzehnte hin weg die in Ihrem 3ten und letzten Lebens Abschnitt gerne die Sexuellen Freuden erfahren möchten die ihnen in Ihren Jungen Jahren entgangen sind ( oder noch nicht Machbar waren weil noch nicht zum allgemein gebrauch ein gegangen wie zum Beispiel Anal, Fisting usw. in den 70ger,80ger und 90ger gab es das auch schon aber war eben noch nicht Mainstream ) und oder Ihre Erfahrungen weiter geben Möchten denen bleiben doch nur noch Pornos ,Escort ( die wollen nur selten Lernen und noch seltener Extravaganzen)
    oder die normale Prostitution und da was entsprechendes zu finden was das mit macht und bezahlbar bleibt ist nahe zu unmöglich . Liebe Grüße

  3. Hans Strauch 13. April 2025 at 09:52 - Reply

    letzteres ist genauso ernst gemeint wie der Rest meines Kommentars, aber das weißt Du ja selbst, was ich darüber denke

  4. Hans Strauch 13. April 2025 at 10:50 - Reply

    „Zudem zeigen sie keine herabwürdigenden Darstellungen“ – woran denkst Du dabei?
    Nehmen wir an, jemand filmt mit, wie Du einen Gast anpinkelst und zeigt den Film anderen Menschen, ohne über das vorangegangene Gespräch über Wünsche und Grenzen zu informieren: eine gewaltige Mehrheit von Menschen würde das für extrem herabwürdigend halten.

  5. Christoph Küsell 13. April 2025 at 12:08 - Reply

    Dir liebe Jay, wieder vielen Dank für diesen sehr persönlichen Beitrag. Pornos zur Stärkung des Selbstwertgefühls ist doch ein schöner motivierender Grund.

    Du hattest ja auch mal so einen schönen YouTube Beitrag „Sex im Rollstuhl“ gemacht.
    Dieser Beitrag hat mich inspiriert, grundsätzlich ist bei vielen Rollstühlen die Gesamtnutzlast bei ca. 136 kg, da könnte tatsächlich was gehen analog zu Deinen damals präsentierten Rollstuhlpiktogrammen.
    In der „Porno World“ finde ich nur wenig motivierende Filme für mobilitätseingeschränkte Mitmenschen.
    Man könnte vielleicht Hilfsmittel sichtbar machen, die hilfreich sind und vielleicht für andere auch interessant sind. Du selbst hast da einen großen Erfahrungsschatz.
    Vermutlich ist der Interessenten Kreis geringer und definitiv nicht mainstream aber sowas könnte tatsächlich das Selbstwertgefühl steigern und potentiellen Zuschauern inklusive Hemmungen nehmen.
    Ist nur eine Idee, sehe es mehr als „add on“ für mainstream Pornos, die vorwiegend für die schnelle Entladung da sind.
    Sehr schönes Projekt!

    • jay 15. April 2025 at 09:42 - Reply

      Danke dir ganz herzlich für deine Worte!

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