Nun sitze ich auf dem Bett im kargen Raum, trinke Wein aus einem Wasserglas, da es keine Weingläser gibt, und schaue dem Boden beim Trocknen zu.
Eine Woche Terminwohnung in der Schweiz liegt hinter mir und ich bin zwiegespalten.
Aber der Reihe nach…
Was ist eine Terminwohnung?
Eine Terminwohnung ist eine offizielle Location, in der Sexarbeit ausgeübt werden darf. Sexarbeitende mieten sie für Tage oder wenige Wochen an und können dort selbstständig arbeiten.
Falls Du nun aber an eine schön eingerichtete Zwei-Zimmer-Wohnung denkst… nein.
Sie sind meist funktional ausgestattet, mit Hang zum Kitsch, und liegen – da sie eine offizielle Prostitutionsstätte sind – oft im Industriegebiet.
Warum nutzen Sexarbeitende sie dann?
Weil sie sicher und legal sind. Im Hotel zu arbeiten (außerhalb eines einzelnen Besuches im Zimmer des Gastes) ist nicht erlaubt. Auch in Airbnbs oder Ferienwohnungen dürfen wir nicht tätig sein.
Im Gegensatz zu Bordellen oder Laufhäusern bist Du in einer Terminwohnung für Dich. Es gibt wenige Kolleg*innen um Dich herum und keine Laufkundschaft.
Soweit, so gut.
An sich mag ich das Konzept sehr. Ob mir die Realität auch gefällt, durfte ich diese Woche herausfinden.
Warum Schweiz?
Ella Bizarr hatte mich vor Monaten gefragt, ob ich mit ihr in die Schweiz komme. Ich fühlte mich geehrt und sagte intuitiv ja – das wird ein Abenteuer! Neues Land, neue Bekanntschaften, und vielleicht das ein oder andere Duo mit Ella? Nice!
Skeptisch war ich allerdings auch.
Ich war bereits einmal in einer Terminwohnung (2022 in München), doch die hatte eher Bordell-Charakter und gefiel mir gar nicht. Das, was ich auf Ellas Fotos sah, wirkte besser.
Ein Teil von mir wollte wissen:
- Kann ich das?
- Gefällt mir das?
- Ist das meine Art von Sexarbeit?
Um das zu beantworten, gab es nur einen Weg – es ausprobieren.
Und nun, da die Woche rum ist, kann ich mein Fazit ziehen.
Mein Highlight: Meine Gäste
Durchweg begeistert bin ich von den Menschen, die ich kennenlernen durfte. Eingie kannte ich bereits, ob durch E-Mail Kontakt oder Social Media.
Wenige stolperten über meine Anzeige auf der Schweizer Plattform xdate und machten einen Termin aus. Vielleicht erkannten sie, dass ich hier nicht so ganz hinpasse.
Denn ja, Terminwohnungen ziehen eher Gäste für kürzere Treffen an. Mein 3hrs-Date überraschte sogar meine Nachbarin im Erdgeschoss, die seit 22 Jahren aktiv ist. Und dann gingen mein Gast und ich auch noch spazieren? Wie die Schweizer sagen würden: speziell 😉
Doch die Menschen, die den Weg zu mir fanden, waren wunderbar.
Allein deshalb bin ich dankbar, mit in die Schweiz gekommen zu sein.
Zudem durfte ich Ella live und in Action erleben… Mehr in diesem Blog.
Abgesehen von den Gästen und der Möglichkeit, Ella näher kennenzulernen, nehme ich leider weniger positive Eindrücke mit nach Hause.
Warum ich Terminwohnungen meiden werde
Konkret sind es vor allem drei Aspekte, die mich abhalten, so ein Abenteuer in naher Zukunft zu wiederholen.
1. Das Ambiente ist einfach nicht meins.
Okay, ich mag inzwischen etwas spießig geworden sein, aber ich brauche einen gewissen Wohlfühl-Faktor in meinen Unterkünften.
Deshalb steht auch die halbe Kunstpflanzen-Abteilung des Hanauer IKEAs in meinem Fun Flat und deshalb grüble ich seit Wochen, welche Bilder ich dort aufhängen soll.
Dann in ein Zimmer zu kommen mit kahlen Wänden, jeweils einem kitschigen Bild, und nur spartanischen Möbeln…. Von der abgeranzten Küche ohne Fenster und dem Klo am Gang ganz abgesehen.
Nein, da fühle ich mich nicht wohl.
Auch wenn meine Gäste meinten, “Es kommt doch auf die Gesellschaft an”, möchte ja auch ICH mich wohl fühlen.
2. Ich bin keine Vollzeit-Hure
Eine Woche nur Sexarbeit – an sich spannend, aber ich merke, dass es nicht meine Welt ist.
Selbst, wenn ich in Stuttgart bin, brauche ich Schreibtischzeit für andere Auftraggeber, wie den BesD e.V., oder möchte Videos für meinen YouTube Kanal filmen.
So habe ich auch in der Schweiz Zeit fürs Homeoffice genutzt und geblockt. Als ich dann dank eines Topfes und der Massageliege in meinem Vorzimmer einen Stehtisch improvisieren konnte, fühlte ich mich gleich viel besser. (Zuhause arbeite ich nur am Stehtisch.)
Dann eigens in eine Terminwohnung reisen, nur um die Hälfte meiner Zeit am Schreibtisch zu hängen – da bleibe ich lieber zu Hause in meiner gewohnten Wohlfühl-Umgebung.
3. Kurze Treffen befriedigen mich kaum.
Vollzeit-Hure sein bedeutet auch, kürzere Treffen anzunehmen. Damit habe ich in der Schweiz experimentiert und ich muss sagen… nur eine Stunde mit einem Menschen zu verbringen, befriedigt mich in 9 von 10 Begegnungen nicht.
In einer Stunde habe ich mich vielleicht ansatzweise auf mein Gegenüber eingestellt. Doch dazu kommt es selten, da es ja recht zügig ans Erotische gehen sollte, denn sonst ist die Zeit ja um.
Im bizarren Kontext ist das einfacher – da bin ich als dominanter Part eher Service Dom und Wunscherfüllerin. Die Dynamik ist da ganz anders. Da lasse ich mir zum Beschnuppern und Kennenlernen eine Stunde eingehen, wenn mein Gegenüber nicht sicher ist, ob wir zusammen passen und kein großes Risiko eingehen möchte.
Doch wenn ich mich im soften “girlfriend” Bereich auf jemanden einlassen soll, dann braucht das etwas Zeit. Und diese Zeit gibt eine Stunde nicht her.
Versteh mich nicht falsch – ich hatte schon Spaß. Aber die kurzen Treffen haben mich nicht genährt.
Mit Gästen, die mich in der Schweiz für länger besucht haben, konnte ich eine ganz andere Verbindung aufbauen. Da fühle ich mich wohl.
Und darum herum blieb Zeit für Selfies 😜
War es den Versuch wert?
Nun gut. Inzwischen sitze ich im Zug nach Frankfurt und mein Schweizer Experiment ist zu Ende. War es den Trip wert?
Ich sage klar ja, denn ich …
- habe gelernt, was ich eben nicht möchte, was auch wertvoll ist,
- durfte wunderbare (Duo-)Sessions genießen,
- habe sehr sympathische Menschen getroffen, die ich sonst nie gesehen hätte.
Und ja, lukrativ war es unterm Strich auch.
Wobei ich mit der Einstellung rangegangen bin: Solange ich meine Miete für die Woche drin habe und Zugtickets plus Verpflegung, ist alles gut. Dann bin ich eben die meiste Zeit am Schreibtisch.
Soweit kam es nicht, obwohl ich aus wenig Energie in Werbung gesteckt hatte.
Die meisten Gäste kamen tatsächlich über meine Accounts und Plattformen. Einige meinten, sie wären sonst zu mir gereist, doch genießen nun, dass ich in ihrer Nähe besuchbar bin.
Das bestärkt mich ungemein! Denn nein, ich möchte mein Experiment in Winterthur nicht wiederholen.
Außer ich habe überraschend Zeit nächstes Jahr und die BDSM-Wohnung über meiner in Winterthur ist frei. Die ist nämlich viel gemütlicher…