Dieser Post beruht auf meinem Newsletter vom 12.01.2025 und beinhaltet die Reaktion einen mobilitätseingeschränkten Gastes, sowohl auf meinen Newsletter als auch auf die Filmempfehlung. Ich darf seine Worte mit Erlaubnis hier teilen – danke dafür!
Hast Du Dich schon einmal gefragt, wie Menschen mit körperlichen Einschränkungen Sexualität erleben?
Gesellschaftlich gibt es dazu kaum Bilder. Auch in P0rnos geht’s vor allem um normschöne Menschen, deren Körper und Gliedmaßen uneingeschränkt vorhanden und beweglich sind.
Falls Du selbst eine Einschränkung hast, gehört dieses Thema zum Alltag (und löst vermutlich einiges an Frust aus).
Mir begegnete die Frage früh in meiner Tätigkeit als Escort, als mich ein Gast im Rollstuhl fragte, ob wir uns trotzdem treffen können.
„Klar! Warum auch nicht?“ war meine Reaktion.
Inzwischen weiß ich, woher seine Unsicherheit kommt.
Es gibt einige Se.xarbeitende, die keine Menschen mit Einschränkungen treffen.
Ebenso, wie Rassismus ein Thema ist (auf beiden Seiten der Dienstleistung), betrifft Ableismus, also die Diskriminierung und Benachteiligung von Menschen mit Behinderung, auch die Erotik-Branche.
Gleichzeitig gibt es Escorts, die explizit solche Treffen ermöglichen.
Ich mache für mich keinen Unterschied, ob eine Person im Rollstuhl sitzt, Muskelschwund hat, oder eine andere Art der Mobilitätseinschränkung.
Ebenso wie jeder Gast oder jede Gästin individuelle Bedürfnisse hat, so ist auch hier jedes Treffen einzigartig. Was rein „logistisch“ möglich ist, zeigt sich eben. Und ich lerne immer gerne Neues dazu!
So handhabt das auch Ben Nordmann von supportive sexwork.
Er durfte ein solches Treffen mit Gastgeberin Rike filmisch begleiten.
Hintergrund zum Film
Rike hat eine Behinderung und war noch Jungfrau, als sie Ben erstmals anfragte.
Konkret fehlt ihr ein Bein ab dem Knie, wodurch sie eine Protese braucht. Zudem nutzt sie eine Sprachapp auf dem Handy, um zu kommunizieren, da sie sprachlich eingeschränkt ist.
Sie trafen sich und Ben teilte Fotos in seinen Instagram Stories, auf denen auch Rikes Körper zu sehen ist – worauf viele, positive Rückmeldungen folgten.
Dass andere Menschen ihren Körper als begehrenswert empfinden würden, überraschte Rike… und inspirierte sie, Ben vorzuschlagen, das zweite Treffen zu filmen.
Daraus entstand ein Film, der die Balance aus P0rnographie, Kunst und gesellschaftlicher Relevanz findet.
„Mut zur (un)behinderten Lust – Eine Reise zu Selbstwert durch Leidenschaft“ lief inzwischen auf diversen P0rn Film Festivals, u.a. in Berlin, und ist wirklich sehr gelungen!
So gelungen, dass ich ihn Dir wärmstens empfehlen möchte.
Seit Anfang Januar ist er auf PinkLabel zu sehen.
PinkLabel.tv ist eine Plattform für unabhängige Filmschaffende im Erwachsenen Entertainment. Falls Du also gerne Pornos schaust und auch die kreativen Köpfe (und Körper) dahinter unterstützen möchtest, ist die Plattform was für Dich.
Zum Thema körperliche Einschränkungen könnte ich noch viel mehr sagen… und das werde ich.
Für heute lasse ich Dir diese Filmempfehlung da und bin gespannt auf Deine Reaktion.
Schreib mir (oder auch Ben!) gerne, wenn Du den Film gesehen hast, wie er Dich berührt hat.
Und ob Du ihn als „P0rno“ bezeichnen würdest, oder eher als … tja, was? Erotischer Kurzfilm? Kunstprojekt? Das frag ich mich nämlich auch.
Ich freue mich auf Deine Gedanken dazu.
Intimität ohne Grenzen – Reaktion eines Verbündeten
Als Antwort auf den Newsletter erreichten mich auch folgende Zeilen eines Menschen, der mich Ende 2024 erstmals zu sich einlud. Er hat auch eine Mobilitätseinschränkung und war vom Film und meinen Worten sehr berührt.
Hier seine Antwort, die ich teilen darf:
Es ist vielleicht der ehrlichste Pornofilm, den ich je gesehen habe. In dem Sinne ist er für mich kein Pornofilm, als vielmehr ein Film über Eure Arbeit und viel Zwischenmenschliches. Die positiven Auswirkungen auf Rike sind spürbar.
Mich nimmt Dein Newsletter ziemlich mit, weil diese Betrachtung gut und dennoch ein wenig für mich ungewohnt ist.
Mein Beitrag:
Seit mittlerweile 25 Jahren durfte ich leider keine körperliche Nähe oder gar Zuneigung von einer Frau erfahren. Gründe hierfür sind sehr vielfältig, denke die Hauptursache liegt in einer bestehenden Mobilitätseinschränkung aufgrund progressiven Muskelschwunds. Auf dieser Basis ist die Partnersuche zumindest aufwändig und setzt bei potentiellen Partnerinnen eine gewisse Akzeptanz voraus. Darüber hinaus ist der alltägliche Kampf um berufliche und gesellschaftliche Anerkennung einfach fordernd und zeitintensiv. Insofern ist das Persönliche bei mir bisher zu kurz gekommen bzw. war unterpriorisiert.
Meine Überlegung in der Vergangenheit war, unternimm was anderes Schönes und finde Alternativen für die Körpernähe bzw. Sexualität, d.h. ich bin viel rumgereist und habe darin „Ersatzbefriedigung“ gefunden. Damit konnte ich einigermaßen mein Selbstwertgefühl aufrecht erhalten. Gelungene Aktivitäten im Sommer wie beispielsweise eine selbständig durchgeführte USA Reise und gute Bilder von einmaligen Situationen (z.B. Walen) sowie Gespräche mit jeweiligen „Locals“ haben mein Selbstwertgefühl gehoben. Im Winter wuchs aufgrund mangelnder Aktivitäten und Dunkelheit das Depressionsrisiko an, dass wiederum schlecht für Selbstwertgefühl und noch bestehende Muskulatur ist.
In den letzten Jahren wurde mir klarer, dass es für Körpernähe/Sexualität keinen Ersatz geben kann. Psychologen sparten dieses Thema mir gegenüber jedenfalls aus. Ist ja auch irgendwo ein „Tabu“ Thema, mit wem spricht man schon gern über seine Sexualität. Mein Fazit war, dass meine Denkweise und Bewertung einfach falsch und nicht zielführend war. Was mich etwas beruhigte waren Aussagen anderer mobilitätseingeschränkter Mitmenschen, den es ähnlich geht, die aber auch keine Lösung hatten.
Mir wurde deutlich etwas grundlegendes zu unternehmen, sollte ich vielleicht ein entsprechendes Dienstleistungsangebot nutzen? Da standen mir wieder die gesellschaftlich Normen im Weg, man geht nicht zu einer „Prostituierten“. War aber auch am Überlegen, ob es für mich so ein individuelles Angebot überhaupt gibt, weil ich dachte meine Mobilitäteinschränkung steht mir im Wege. Also hatte ich wieder Berührungsängste, vielleicht sagt die „Sexarbeiterin“ sie steht nicht auf mobilitätseingeschränkte Mitmenschen. Das wäre dann nicht gut für das Selbstwertgefühl, also besser „die Finger von lassen“. Ich drehte mich zu diesem Thema mal wieder um mich selbst.
Durch Zufall sah ich ein „Short“ von „Jay Stark“ auf YouTube, hinsichtlich „Körperentschuldigung“ und trotzdem willkommen zu sein. Diese Aussage machte auch vor dem Hintergrund bestehender Homepage einen seriösen Eindruck auf mich. Ich wagte es über meinen Schatten zu springen und zu hinterfragen ob Körpernähe auch mit mir als mobilitätseingeschränkte Person tatsächlich möglich sei.
Diese Mail fiel mir enorm schwer. Sehr froh war ich dann über die Rückmeldung, die der positiven Aussage des „Shorts“ entsprach.
Bisherige Treffen bestätigten für mich die Richtigkeit dieses Schrittes, endlich seit über 25 Jahren wieder Körpernähe zu erfahren mit einfach allen Facetten, ist einfach nur schön. Bin sehr begeistert auf einen Menschen getroffen zu sein, der weit über das Dienstleistungsangebot der Branche hinausgeht und wo ich mich zumindest zeitlich geborgen fühlen darf. Positive Auswirkungen wie bessere Selbstakzeptanz, besserer Blutdruck, weniger Depressionsdruck und eine bessere Muskelbalance sind für mich real spürbar. Es tut mir einfach gut und macht mir auch noch enorm viel Freude 😊.
Ich halte diese Art der umfänglichen „Supportive Dienstleistung“ für absolut zielführend und richtungsweisend, weil es gesellschaftlichen Mehrwert bringt.
Vielen Dank dafür!