Warum ich gerade jetzt so viel aktivistisch mache – und wie es weitergeht
In den vergangenen Wochen ging es heftig zu: Lang geplante Events, Lesungen und Debatten, befeuert durch unsägliche Aussagen von Politiker*innen, die mit alten Narrativen für ein “Sexkaufverbot” punkten wollen. Und ich mittendrin. Denn Sexarbeitsaktvismus ist Teil meines Lebens.
Ich kämpfe. Für Aufklärung, für Sichtbarkeit – und dafür, dass Sexarbeitende endlich als das gesehen werden, was sie sind: Menschen mit Rechten und Bedürfnissen, die echte Arbeit leisten.
In diesem Blog nehme ich Dich mit:
Was in den vergangenen Wochen passiert ist, was das mit mir gemacht hat – und wie ich meinen Aktivismus ab 2026 neu ausrichten werde.
Warum ich das mache – kurz und ehrlich
Ich wünsche mir eine Welt, in der Sexualität als natürlicher Teil eines erfüllten Lebens akzeptiert und geschätzt wird. Und eine Welt, in der Sexarbeitende offen zu ihrem Beruf stehen können.
Dafür braucht es noch viel Aufklärung – einer der Gründe, warum ich auf YouTube und Social Media so offen über Sexualität und meine Erfahrungen als Escort spreche.
Von Sommer 2024 bis Herbst 2025 war ich beim Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD e.V.) für Social Media zuständig. Seit Oktober mache ich das ehrenamtlich, weil ich gemerkt habe: Meine Energie wirkt an anderen Stellen stärker.
Und diese Stellen waren im November reichlich vorhanden.
Drei Schlaglichter der vergangenen Wochen
Ich könnte über jedes dieser Events ganze Essays schreiben. Für heute fasse ich mich kurz:
1) ver.di & BesD: ein Meilenstein gegen Stigma
Am 19. November organisierten wir vom Berufsverband gemeinsam mit ver.di eine Podiumsdiskussion über Arbeitsbedingungen in der Sexarbeit im DGB-Haus Frankfurt. Noch vor Kurzem war unklar, ob Sexarbeit in die Zuständigkeit der Gewerkschaft fallen „darf“. Seit März 2025 ist das offiziell der Fall: ver.di bekennt sich dazu, “Sexarbeit ist Arbeit!”. Ein riesiger Schritt.
Auf dem Podium saßen:
- Johanna Weber und Pallas Athene vom Berufsverband als aktive Sexarbeitende,
- Encarni Ramirez Vega von der Beratungsstelle ‘Frauenrecht ist Menschenrecht’ (FIM e.V.), die u. a. migrantische Frauen in der Prostitution unterstützt,
- Julia Herz, Landtagsabgeordnete der hessischen Grünen – die einzige Politikerin, die auf unsere Einladung reagiert hat.
Die Diskussion zeigte vor allem eines: „Die” Sexarbeit gibt es nicht. Die Lebensrealitäten unterscheiden sich massiv.

2) Konfrontation mit Sexarbeitsgegner*innen
Bei einer Podiumsdiskussion zu einer Fotoausstellung in Wiesbaden machte eine Gegnerin sehr klar, dass sie Sexarbeit und Menschenhandel in einen Topf wirf. Wörtlich sagte sie: „Prostitution ist Gewalt an Frauen.“
Solche Haltungen zeigen, warum Differenzierung so dringend nötig ist – und warum sachliche Diskussionen so oft scheitern.

3) Ruby Rebelde: eine schmerzhafte und wichtige Erinnerung
Ende November las Ruby Rebelde in Frankfurt aus „Warum sie uns hassen“. Rubys Buch zeigt eindrücklich, wie alt das Stigma ist, das Sexarbeitende begleitet, und wie tief es in Politik und Alltag sitzt.
Auf dem Podium saßen Aktivist*innen aus völlig unterschiedlichen Bereichen. Ich war skeptisch. Die Beratungsstelle Doña Carmen, Mitorganisator der Lesung, hatte im Nachgang zum Event mit ver.di einen sehr kritischen und fast schon vernichtenden Beitrag über den Berufsverband veröffentlicht.
Wie passt das zusammen mit einem solidarischen, gemeinsamen Kampf für faire Bedingungen für Sexarbeitende? Was ist da alles passiert, um so viel böses Blut entstehen zu lassen? (Wer eine Antwort hat, bitte auf 500 Wörter beschränken und sachlich bleiben.)
Die große Frage, die mich seit Monaten beschäftigt
Mit viel Neugier lauschte ich den vier Personen auf dem Podium. Gegen Ende traute ich mich, eine Frage zu stellen, die mich seit Monaten beschäftigt:
Was bringt wirklich was im Sexarbeitsaktivismus?
Der Tag hat nur 24 Stunden. Und nicht alle davon stehen dem Kampf für bessere Bedingungen und gegen das Stigma zur Verfügung. Wie nutze ich meine Zeit also am besten?
Die Antworten, die ich bekam, waren wirklich hilfreich:
- Regionales Engagement: Gerhard von Doña Carmen erzählte von einer Idee für ein Projekt in Frankfurt: ein Boarding House für Sexarbeitende in Frankfurt, um sie aus der Abhängigkeit von Vermietern oder Stundenhotels zu holen. So etwas würde konkret und vor Ort helfen.
- Gespräche suchen: Lola vom Berufsverband berichtete, wie sie sich mit Politiker*innen persönlich trifft, um aufzuklären. Dadurch bewirkt sie oft merklich ein Umdenken. Das ist mühsam und zeitintensiv, aber effektiv und wichtig.
- Vernetzung und Solidarität: Gemeinsam sind wir stärker. Der erste Schritt sollte immer sein, sich mit anderen zu vernetzen, die die gleichen oder zumindest ähnliche Ziele verfolgen.
Letzteres war ein Beitrag aus dem Publikum. Er gab mir viel zu denken. Und er half mir, mein eigenes Engagement in Zukunft klarer auszurichten.

Mein Aktivismus 2026 – klarer, fokussierter, wirksamer
1) Aufklärung auf YouTube
Meine Videos zu meinen Erfahrungen in der Sexarbeit bekommen Resonanz. Einige Menschen sind von sich auf mich zugekommen, um mir zu erzählen, wie ich ihre Meinung ändern konnte. Das ist enorm wichtig, denn nur so ändert sich langfristig etwas am gesellschaftlichen Bild von Sexarbeit.
2) Gespräche & Podcasts
Ob in meinem eigenen Format („Refugium Podcast – entfesselnde Gespräche mit Jay Stark“, Start Ende Januar) oder als Gast: Austausch verändert Bewusstsein. Ich will mehr davon!
3) Präsenz-Events & Moderationen
Die Podiumsdiskussion in Frankfurt hat mir gezeigt, wie viel live möglich ist. Mehr davon!
Am 2. Juni 2026 plane ich gemeinsam mit dem Refugium Divine zum Beispiel in Aschaffenburg einen “Ask A Sexworker” Abend zum Internationalen Hurentag.
4) Solidarität & Vernetzung
Beziehungen zwischen Aktivist*innen müssen gepflegt werden. Ich möchte einen Beitrag leisten, dass wir wieder mehr miteinander und weniger gegeneinander arbeiten.
5) Weniger Social Media für den BesD
Meine Arbeit und mein ehrenamtliches Engagement hat uns vom Berufsverband viel Sichtbarkeit gebracht – aber meine Energie wirkt an anderen Orten stärker. Im Januar 2026 gebe ich daher diesen Bereich ab.

Was DU tun kannst – egal, wer Du bist
Wenn Du Sexworker bist
- Werde Mitglied beim BesD e.V.
- Komm zum Sexworker-Brunch in Frankfurt
- Schreib mir, wenn Du aktiv werden möchtest
Wenn Du allgemein unterstützen möchtest bist
- Unterstütze meinen Aktivismus über Patreon und erhalte exklusive Inhalte
- Teile meine Inhalte, kommentiere, sprich darüber
- Folge Sexarbeitsaktivist*innen auf Social Media
- Rede offen, wenn Du sexarbeitsfeindliche Kommentare hörst
Wenn Du Kundschaft bist
- Tritt der IKPS bei – der Initiative Kundschaft Pro Sexarbeit
- Widersprich offen, wenn Du sexarbeitsfeindliche Kommentare hörst (auch ohne Dich zu outen)
Außerdem kannst Du mir ab jetzt über Throne Zeit für Content und Aktivismus schenken.
Wenn Du Zeit oder Fähigkeiten einbringen möchtest
Melde Dich! Es gibt auch etliche praktische Formen der Unterstützung, mit denen Du uns Sexarbeitenden helfen kannst.
Danke Dir!
Wenn Du bis hierher gelesen hast: Danke.
Aktivismus ist ein Marathon – und jede Person, die zuhört, teilt und unterstützt, macht einen Unterschied.
Solidarität beginnt genau hier:
Mit Aufmerksamkeit. Mit Austausch. Mit Dir.



Bin begeistert von Deinem Beitrag!
Grabenkämpfe bringen überhaupt nichts, wenn es um dasselbe Ziel geht. Kenne das aus einem anderen Verband, sehr gut und habe mich dort zurückgezogen.
Deine Frage ist/war berechtigt was bringt was?
Regionalität und Beginn im Mikrokosmos, d.h. Befürworter Eurer werthaltigen Aufgabe ansprechen. Denke da hat die Lola Recht. Erstaunlicherweise habe ich, zwar aus der Sicht einer mobilitätseingeschränkten Person, bisher nie Kritik von Kollegen, Ärzten, Freunden, Dritten
bekommen. Keiner hat etwas m.E. gegen „Sexarbeit“, wenn niemand in Mitleidenschaft gezogen wird.