Vor kurzem habe ich mein Profil auf einem Anzeigenportal aktualisiert und rutschte dadurch wohl wieder weiter nach oben in den Suchen. Plötzlich flatterten viele Copy-Paste-Nachrichten in meinen Posteingang. Meist enden sie mit: „Wann hast Du Zeit?“
Meine Antwort: „Gerne können wir etwas ausmachen! Aktuell plane ich Treffen für Mitte/Ende August.“ Für viele offensichtlich frustrierend. Immer wieder merke ich, dass manchen nicht klar ist: Eine Escort wartet nicht den ganzen Tag lechzend auf Nachrichten.
Doch was tut eine Escort den ganzen Tag? Wie sieht eine Woche im Leben einer Sexarbeitenden wirklich aus? Ich nehme Dich mit – exemplarisch durch meine Woche rund um den Internationalen Hurentag.
Sonntag: Livestream und Koch-Date
Die Woche beginnt am 1. Juni, einem Sonntag. Für den Abend ist mein erster Livestream geplant: „Kann Sexarbeit heilsam sein?“ Vorbereitung ist angesagt – Notizen schreiben, Licht und Tonequipment checken, Outfit wählen.
Davor: eine Premiere. Ein neues Date in Hanau – wir kochen gemeinsam! Und nichts ist angebrannt. 😉
Der Stream am Abend ist eine zweite Premiere und inzwischen auf YouTube zu sehen. Dazwischen: Haushalt, Telefonat mit meinem Beziehungsmenschen, der gerade unterwegs ist, und noch ein Social Media Post für den BesD e.V.. Heute startet nämlich auch eine Spendenaktion anlässlich der Aktionswoche, die regelmäßige Updates braucht.
Montag: Zwei Dates und ein Hurentag
Am Internationalen Hurentag selbst geht’s nach Yoga, Dusche und Frühstück los: Ein Date mit einem mir unbekannten Menschen steht an. Eigentlich war mein Tag schon voll, aber die wundervolle E-Mail-Anfrage vor einigen Wochen hat mich neugierig gemacht – und ich wusste, ich kann in beiden Begegnungen heute präsent sein.
Zwischendurch genieße ich Reste vom Koch-Date und schreibe diverse BesD-Newsletter für die Aktionswoche. Ach ja, und ein Video für den Hurentag fehlt auch noch.
Laptop zu, duschen, umziehen – und zwei Stunden hedonistisch genießen… Dann ab nach Hause.
Dienstag: Podcast, Behördengänge, Kinoabend
Dienstagmorgen erscheint mein Interview im Podcast „SexArbeit“ von Helena. Während ich mich über erste Rückmeldungen freue, warte ich im Gesundheitsamt Gelnhausen – Pflichtberatung nach ProstSchG.
Legal arbeiten darf ich nur mit dieser Beratung – kostet 44 Euro und bringt mir leider keine neuen Erkenntnisse.
Wo ich die Anmeldebescheinigung verlängern kann? Die brauche ich alle zwei Jahre. Doch niemand weiß es. Das Ordnungsamt verweist auf Hanau, doch dort geht niemand ans Telefon. Online: keine Info.
Für heute egal. Mein “Hurenpass” gilt noch drei Wochen.
Am Nachmittag wartet ein „Beginner-Date“ in Hanau. Wir erforschen gemeinsam, was sich gut anfühlt – an einem Punkt liege ich mit offenen Beinen vor ihm und erkläre anatomische Grundlagen. Dieses Wissen, so mein Eindruck, gibt Selbstvertrauen – vor allem in Momenten der Unsicherheit!
Dann weiter nach Frankfurt: Die BesD-Hessengruppe trifft sich zum Abendessen, danach schauen wir gemeinsam den Film Sexarbeiterin im Arthousekino Harmonie. Im Anschluss bin ich Teil der Gesprächsrunde – zusammen mit Absolute Levana und Lola Anders. Drei Perspektiven, drei Blickwinkel auf Sexarbeit, viele spannende Fragen aus dem Publikum.
Um 23:30 Uhr ist Schluss. Huch, doch später geworden! Kurz vor eins schlafe ich ein. Viel zu spät für meine Verhältnisse.

Jay Stark, Absolut Levana, Pallas Athene und Lola Anders im Harmonie Foyer
Mittwoch: Friseur, Video-Interviews und Online-Event
Lang ausschlafen? Fehlanzeige. Um 8:30 Uhr bin ich beim Friseur (endlich!). Dann direkt weiter nach Hanau, für ein Date mit einem jungen Mann, der seine devote Seite entdecken will.
Am Nachmittag: Video-Calls. Erst BesD, dann Marketin-Projekte, dann ein spannendes Interview mit Harriet Langanke für meinen YouTube-Kanal.
Eigentlich würde ich mit meinem Beziehungsmenschen nun gemütlich kochen und den Abend genießen.
Es ist aber Aktionswoche, also logge ich mich 18:45 Uhr ein für ein spannendes Online-Event mit Verdi ein. Wir erzählen bis 20:30 Uhr über Arbeitsbedingungen in der Sexarbeit, dann Nachbesprechung.
Jetzt aber: ab ins Bett!
Donnerstag: Wiedersehen nach zwei Jahren
Manchmal dauert es, bis ein zweites Treffen zustande kommt. Im Falle meines Gastes von Donnerstag sind ganze zwei Jahre vergangen, seitdem ich ihn erstmals kennenlernen durfte.
Falls Du mich nun fragen willst: “Konntest Du Dich noch an ihn erinnern?”
Zuerst sehr dunkel. Als er dann aber vor mir steht, kommen die Eindrücke zurück. Und nun schaffen wir neue Erinnerungen, die hoffentlich nicht zwei weitere Jahre halten müssen.
Mittagspause, dann Schreibtisch, inklusive vier Stunden Sexualtherapie-Kurs.
Doch plötzlich braucht ein Mensch in meinem Leben Unterstützung. Kurs oder Support?
Meine Entscheidung war klar. Und im Nachhinein sehr richtig.
Freitag: Video Posts, Spendenaktion, Zeit für mich
Letzter Tag der Aktionswoche. Die Spendenaktion läuft gut, ich poste wie jeden Tag ein Video für den BesD und mache mich an den Schnitt meines eigenen YouTube-Videos.
Dazwischen: Lernen für die Heilpraktikerprüfung, neues Material lesen für die S*EXPLORATIV-COACH Ausbildung.
Abends ein weiteres Event in Frankfurt: Ask A Sexworker – diesmal mit Pallas Athene, Absolut Levana, Maria von Magdala. Ich wäre gerne dabei. Aber nach drei Aktionsabenden ist heute definitiv Zeit für mich und meinen Beziehungsmenschen.

Pallas Athene, Absolut Levana, Sandra von InsideHer und Maria von Magdala
Samstag: Lomi Lomi & Angrillen
Der Samstag beginnt – ganz unerotisch – mit einer Übungsmassage. Mein Partner und ich machen beide die Ausbildung zum Lomi Lomi Practitioner und massieren gerade alle Menschen im Freundeskreis, die nicht bei drei auf dem Baum sind. Bald hoffentlich auch zahlende Kundschaft.
Abends dann Besuch von der BesD-Hessengruppe zum Angrillen. Wir feiern, dass wir die Aktionswoche gemeinsam gestemmt haben und lassen sie gemeinsam ausklingen.
Eine intensive, vielseitige Woche geht zu Ende.
Hat Dich etwas überrascht? Erzähl es mir in den Kommentaren!
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PS: Inzwischen habe ich übrigens auch meine Anmeldebescheinigung verlängern können – heißt: Ich darf ein weiteres Jahr legal arbeiten. Und bin 79 Euro ärmer.

Von Links: Pallas Athene, Maria von Magdala, Jay Stark, Eve Allegra, Jill, Absolute Levana beim Angrillen (Foto: Sir Chris)
Hallo Jay, Respekt. Ich glaube die meisten denken gar nicht so weit das du quasi 7 Tage die Woche am arbeiten bist und bestimmt nicht nur du sondern auch alle anderen die beim Angrillen mit dabei waren. Ich wünsche euch allen eine stressfreie Woche. LG Volker aus Düren
Liest sich nach enger Taktung…..
Frage mich manchmal ab wann ein Zeitpunkt eintreten kann, wo man ausschließlich von Bestandskunden existieren kann…..
Mensch braucht Unterstützung…..? Schwierig einzuordnen, zeitlich und emotional.
Es war auch eine außergewöhnliche Woche, aufgrund des Hurentages und hoffentlich nicht repräsentativ für sonstige Wochen.
Überrascht hat mich das alles weniger….
Habe allerdings den Eindruck, daß auch immer viel Fahrstrecke dabei ist, was Zeit kostet. Über Verdi ärgere ich mich immer noch, daß man mir keinen Link schicken konnte.
Ja, lange Anfahrten sind eben auch ein Thema – das fand ich in der Woche schon doof, da nach Frankfurt rein zu fahren auch immer Zeit gefressen hat.
Und mal sehen, ob der Zeitpunkt bei mir irgendwann kommt 🙂