Seit meinem ersten Escort-Besuch in Stuttgart ist viel passiert. Dabei war das erst im Oktober 2023! Wie die Zeit verfliegt. Und immer scheint mich die Stadt zu einem Blog zu inspirieren, egal ob ich nun 11 Nächte bleibe oder 5 Tage

Diesmal sind es sieben Tage, die ich gerade Revue passieren lasse. Wie viele Erkenntnisse es am Ende werden, weiß ich gerade selbst noch nicht. 

 

Erkenntnis 1: Das Tabu-Wort mit T 

Dass bestimmtes Vokabular bei Dirty Talk abgesprochen sein sollte, ist mir klar. Nicht jede*r teilt eine Vorliebe für vulgäre Ausdrücke, und wo Vulgarität anfängt definiert auch jede*r unterschiedlich. Selbst bei soften Ausdrücken wie “Schlampe” ist Vorsicht geboten, nicht nur bei extremeren Begriffen wie “Arschf***ze”. 

Wie ich bei einer Unterhaltung über’s Kochen herausfinden durfte, sollten Absprachen auch andere Bereiche erfassen. 

Denn als ich dem kochbegeisterten Gast erzählte, dass ich Risotto im Thermomix kochen würde, war seine Reaktion das Äquivalent eines “ROT!“ im BDSM. 

Natürlich übertrieb er seine Reaktion, was mich nur anspornte.  

Als ich dann ganz verrucht das böse Wort mit T in sein Ohr flüsterte, eigentlich um ihn zu “quälen”, veränderte sich etwas. Plötzlich war es ein Lustlaut – voller Leidenschaft und Erregung. 

Ich war die erste, die sich vor Lachen nicht mehr halten konnte. Ach wie herrlich, wenn Humor so präsent ist im Leben! 

 

Erkenntnis 2: Es wird länger

Die Tage werden länger, ebenso wie meine Treffen. Bei meinem ersten Escort Besuch in Stuttgart war ich erfreut, wenn sich mal eine zweistündige Buchung in meinen Kalender verirrte. 

Seitdem ich mich mehr auf Supportive Sexwork konzentriere, bleiben die rein hedonistischen Treffen eher aus. Ein paar mir lieb gewordenen Stammgäste kommen noch für einen kurzen Besuch vorbei, doch zwei, drei oder mehr Stunden sind inzwischen das “neue Normal”. 

Und ich genieße das ungemein!

Klar, denkst Du vermutlich. Ist ja auch lukrativer. 

Stimmt. Aber mit den längeren Treffen einher geht auch mehr Tiefe. Nicht, dass kurze Begegnungen das nicht entwickeln können, vor allem wenn eins sich öfters trifft. Aber das ist dann eher – zumindest meiner Erfahrung nach – ein positiver Nebeneffekt. 

Wenn ich drei, vier, sechs Stunden mit einem Menschen verbringe, dann ist die Ausgangslage anders. Meist sind das auch Begegnungen, die das heilsame Potenzial von Sexarbeit sehen. Die ein Thema haben – mit sich, mit ihrer Sexualität, mit dem Leben – das sie in der Begegnung mit mir ein Stück weiterbringen möchten. 

Dass sie mich dafür auswählen? Immer wieder WOW. 

Ich war schon immer beseelt, wenn ich Stuttgart verlassen habe. Doch so voller Glückseligkeit war ich noch nie. 

 

Erkenntnis 3: Zielgerichtet ist auch okay

Eine Zeit ohne Erwartungshaltung und Leistungsdruck – das verspreche ich meinen Gästen. 

Dabei ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass wir beide dennoch ein Ziel vor Augen haben. Beim zweiten Treffen mit einem Absolute Beginner (also einem Menschen, der vor unserem ersten Treffen noch keine sexuellen Erlebnisse mit anderen hatte) war unsere Mission: seinen ersten Höhepunkt im Beisein einer anderen Person. Idealerweise im Miteinander. 

Wir hatten Zeit, glücklicherweise. Und viele Toys, die er beim Solosex gerne mag. 

Sowie Forschungsgeist! Unsere Forschungsfrage: Welche Kombination bringt ihn über die Schwelle? 

Einige Hypothesen erwiesen sich als Sackgassen. Dann kam der Durchbruch. 

Sexualität ist viel mehr als ein Orgasmus. Aber ein Orgasmus darf auch im Mittelpunkt stehen!

 

Erkenntnis 4: Andere Wahrnehmung

Wie erleben blinde Menschen Sexualität? Diese Frage habe ich mir schon öfter gestellt, aber noch nie auf den Grund gehen können.

Nun hatte ich mein “erstes Mal”. Ein blinder Mensch fragte an und wir verabredeten uns. Ich bin ehrlich: Ein wenig Nervosität breitete sich aus vor seiner Ankunft. Durch meine Erfahrungen mit anderen eingeschränkten Gästen, beruflich wie privat, habe ich keine Berührungsangst. Ich weiß, dass die Menschen mir sagen können, wenn ich etwas falsch mache oder wenn sie etwas anderes von mir brauchen. 

Okay, einen blinden Menschen an der Hand in meine Location begleiten… das sollte ich noch üben. Wer sein Leben lang sieht, hat eben einen anderen Blick auf sich windende Gänge oder den Radius von Türen. 

Am Ende des Tages ging es aber ums Fühlen. Um spüren. Lustlaute. Haut auf Haut. Reaktionen herauskitzeln, manchmal wörtlich. Gemeinsam lachen.

Ich merke wieder: Menschen mit Beeinträchtigungen haben teilweise andere Lebensrealitäten. Doch Sexualität vereint. 

 

Erkenntnis 5: Absagen jucken mich nicht (mehr)

Zum zweiten Mal war ich vor meiner Anreise “ausgebucht”. Heißt, alle möglichen Treffen, die ich ermöglichen kann und möchte, sind vergeben. 

Das kalkuliert Schreibtischzeit mit ein, Zeit für Pausen, Lebensmittel einkaufen, die Sonne genießen, den ein oder anderen Call für meinen anderen Job. 

Wenn dann eine Absage kommt, ist die “Lücke” in meinem Kalender vermutlich füllbar. Schließlich habe ich einigen Menschen sagen müssen, dass ich keine Zeit für sie habe. 

Doch inzwischen weiß ich: Lücken füllen ist ein ganz eigener Stress. 

Für jemanden wie mich, die es liebt, vorauszuplanen, die einmal am Tag in ihre Nachrichten schaut und dann hoffentlich auch Zeit findet, zu antworten – für mich ist spontan “Ersatz” für einen Termin finden, echt anstrengend. 

Das Gute dieses Mal: Ich brauche es nicht. 

Selbst, wenn alle Menschen spontan absagen, habe ich inzwischen genug Gelassenheit zu wissen: Das wird.

Anstatt also ewig am Handy zu hängen, wie bei meinen ersten Trips, als ich noch Anzeigen schaltete, wünschte ich dem kranken Gast gute Besserung… und widmete mich anderen Projekten am Schreibtisch. 

Ist das Erfahrung? Alter? Oder einfach eine andere Phase in meinem Berufsleben? 

 

Erkenntnis 6: Berufung ist dennoch Beruf

Was mir diese Woche in Stuttgart wieder gezeigt hat: Ich LIEBE es, Escort zu sein! Ich darf Menschen von ihrer intimsten Seite kennenlernen. Sie bei ganz besonderen Momenten begleiten. Sie bestärken, sie unterstützen. 

So sehr dieser heilsame Ansatz meine Berufung zeigt, es bleibt Arbeit. Ich merke, dass ich auf meine Energie aufpassen muss. Dass ich mich nicht von der Begeisterung verleiten lassen darf und andere Bereiche meines Lebens unter den Tisch fallen lassen darf. 

Deshalb habe ich mich am zweiten Tag meines Besuchs in Stuttgart entschieden, den angedachten Trip im Oktober aus meiner Reiseplanung zu nehmen. Das ist kurz nach meiner Heilpraktiker Prüfung und mitten in der heißen Phase der Lomi Ausbildung. Da wird mir eine Woche Stuttgart zu viel. 

Ich bin zwar ein Duracell Hase, aber auch meine Batterien halten nicht endlos. 

 

Erkenntnis 7: Wo ist die Arbeit in Sexarbeit?

Trotz aller Überlegungen hinsichtlich meiner Ressourcen, fühlt sich Sexarbeit für mich selten wie Arbeit an. 

Das inspirierte diese Woche auch diesen Post (Bluesky, Twitter):

Dieses beseelte High, das ich gerade fühle, ist definitiv auf die vielen Treffen zurückzuführen, die einen unterstützenden Charakter haben. Nur ein Bruchteil meiner Begegnungen diese Woche waren rein hedonistischer Natur. Und selbst dann hatten sie wunderbare Tiefe, da ich die Menschen schon lange kenne – oder von seiten der anderen Person unglaubliche Offenheit vorlag.  

Ohne den ökonomischen Aspekt der Buchung würde ich diese Menschen wohl nie treffen. 

Dass trotz dieses Rahmens ein Gefühl entstehen kann, als wäre es keine Arbeit, keine Dienstleistung, finde ich immer wieder zauberhaft. 

Die Erkenntnis fühlt sich noch nicht zu Ende gedacht an. Und das ist okay für mich. Ich bin auch noch nicht “zu Ende gedacht”. Das werde ich auch nie sein. 

Und wenn das Hier und Jetzt schon so erfüllen, so geil, so beseelend ist, dann wage ich nicht zu überlegen, was da noch alles kommen kann. 

*

In diesem Sinne verabschiede ich mich nach – marketingtechnisch passenden – sieben Erkenntnissen. Ich hoffe, Du hast ebenso ein erfülltes Leben! Wenn nicht, dann hoffe ich, dass Du Deinen Weg dorthin findest. Auch Du darfst glücklich sein!

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